Alles ausser Stillstand
Andi Feldmann flext und schraubt an Schrottskulpturen und Motorrädern, als gäbe es kein Morgen. Dazu hat er sich in einem alten Bauernhof in Schleswig-Holstein vier Werkstätten eingerichtet.
Andi Feldmann steht in einer seiner Werkstätten und wühlt in einer Schraubenkiste wie ein Kind in einem Haufen Legosteine. Geht nach vorne zum Flextisch mit dem selbst gebauten Drehregal. Auf dem steht neben Lötpulver und verschiedenen Sprayflaschen auch ein Glas mit Würstchen. Andi packt sich zwei Stahlplatten, wiegt ab, überlegt. Dann nickt er sich selbst zu, greift sich Lötpulver. Hat plötzlich zwei dünne Metallstangen in der Hand, spannt eine der Stahlplatten ein und flext los.
Andi arbeitet gerade am Prototyp des Riesen von Rieseby, «Sohn» des Riesen von Ulsnis, einer Figur aus Metallschrott, sechs Meter hoch. Rieseby und Ulsnis sind Nachbarorte. Der Riese in seinem Wohnort Ulsnis, längst Wahrzeichen, steht bereits. Vor der Werkstatt liegt ein grosser Haufen Schrott. Für Andi das Material, aus dem seine Kunstwerke entstehen. «Früher bin ich alle zwei Wochen zum Schrottplatz gefahren. Muss ich jetzt gar nicht mehr. Hab genug.»
Eine Zeichnung für den Prototyp gibt es, wenn überhaupt, nur in Andis Kopf. Er entwirft beim Machen: «Ich fang immer unten an. Bei meinen Stahlskulpturen erst die Füsse, und von da ergibt sich alles.» Jetzt erst mal die Platte teilen, das werden die Füsse. Dann lötet er eine der Metallstangen auf den einen Teil der Platte. Die zweite auf den anderen. Die Beine sind dran. Nun flexen für die Beinlänge. Ein altes Stahlrohr wird erst gekürzt, dann als Oberkörper drangelötet. Jetzt noch die Arme, wieder die Metallstangen. Zange in die Hand, und Arme nach oben biegen. «Jetzt muss ich das noch schmieden!» So läuft das Entwerfen bei Andi: einfach loslegen.
Für den ersten Riesen musste er auch einen Prototyp bauen. «Damit der Statiker da alles sicher berechnen kann.» Bei der Grösse nötig. Sonst macht er so etwas eher nicht.
Andi Feldmann lebt in Ulsnis im Norden Schleswig-Holsteins. Hier hat er sich 1998 niedergelassen, als der alte Bauernhof zum Verkauf stand. Andi hat ihn umgebaut, die Ställe zu Werkstätten umfunktioniert, ein Gewächshaus, einen Duschturm und eine Art Baumhaus neben das Haus gebaut. Versteckt am Waldrand steht sein Haus. Da hat er Platz für seine Einfälle und Ideen. Und den braucht er. Ganz vorne bei der Einfahrt, gegenüber der «Metül Bar», die er selbst zusammengeschweisst hat, steht ein langer Tisch. Darauf liegt Metallschrott. Den sammelt Andi. Und wehe, davon kommt was weg. Als an diesem Vormittag ein Schrottsammler was mitnehmen will, wird Andi deutlich: «Nee, ich brauch das, kannst wieder fahren!» Leise gibt er dann zu: «Ich kann doch nichts wegschmeissen.»
Andi ist ein Sammler. Metallschrott, Werkzeug und Motorräder. Etwas über 30 Maschinen müssten bei ihm rumstehen. Dazu noch der Koslovsky Rennwagen und sein Austin Healey, den er in San Diego auf einem Schrottplatz fand. Aber was die Zahl der Zweiräder angeht: So genau gezählt hat er das schon seit etwa einem halben Jahr nicht mehr. Er mag aber nur bestimmte Modelle, Quickly und vor allem BSA haben es ihm angetan. Auf rund vier Werkstatthallen, drei davon mit Hebebühne, hat er die Zweiräder verteilt. Und in seinem Haus stehen sie auch.
Ich hab immer den Drang zu bauen.
Andi Feldmann
Beim Blick von der Aussenwerkstatt – eigentlich die überdachte Terrasse – in die Küche fällt eine Maschine ins Auge, die steht zwischen Küchentisch und Wand. Geht man weiter ins Wohnzimmer, sieht man fünf weitere. Für Andi sind das nicht nur Motorräder. Sie sind Kunstwerke und gehören zu seinem Leben. Und genauso sehen sie auch aus. Passen einfach rein, fallen gar nicht weiter auf. Es wirkt völlig logisch, dass Werkstatt und Wohnraum ineinander übergehen. Da gibt es bei ihm keine Trennung. Genauso passt da der selbst geschweisste Barhocker an der Küchenanrichte rein. Oder der aus einem Traktorsitz gebaute Stuhl im Esszimmer. Regale, Gardinenabdeckungen, Türgriffe – alles baut Andi selbst. Aus Metall. Holz kann er auch. Mag er aber nicht: «Das bröselt immer so. Haste die Klamotten voll.»
Selbst im Badezimmer ist vieles selbst gebaut, die Badewanne wird von zwei riesigen Steinen, fast in der Grösse von Findlingen, eingefasst. «Ich sach immer: Eigentlich braucht man keine Möbel kaufen. Kann man ja selbst machen.»
Selbst machen. Das ist Andis Motto. Das fing schon früh an, erzählt er, als er in eine seiner Werkstätten geht. Mit knapp 13 Jahren haben er und zwei Freunde ein altes Moped gekauft. Für 9,99 Mark. Das fuhr aber nicht mehr. Also mussten sie selbst ran. Und brachten das Ding wieder zum Laufen. Andis Leidenschaft war entfacht. Doch nach der Schule macht er erst mal eine Ausbildung. Ganz solide als Heizungsbauer. Oder auch in «Gas, Wasser, Scheisse», wie es in den «Werner»-Comics seines Bruders Rötger «Brösel“ Feldmann lapidar heisst. Als Macher hat Andi auch da seine Spuren hinterlassen. Den Red Porsche Killer etwa, Werners legendäres, mit vier hintereinander gebauten Motoren ausgestattetes Horex-Motorrad, hat «in echt» Andi gebaut.
Immer bringt er die Motorräder auf die Strasse. Nicht immer sind sie dabei auch strassentauglich – oder besser: für die Strasse zugelassen. Viele Maschinen, wie die Waldfee in Halle 4, können zwar fahren, haben aber keine Zulassung. «Fack for TÜV ist mein Motto. Kannst du ruhig schreiben.» Überhaupt geht es ihm mehr um die Kreation als das Fahren.
Die Idee zu seiner Waldfee kam ihm, weil er beim Reparieren einer Heizungsanlage auf dem Dachboden einen Automotor fand. Drum herum baute er sich dann die Maschine. Als Inspiration dienen ihm Bilder von alten Motorrädern aus den 40er- und 50er-Jahren.
Ein Jahr braucht er meist für so ein Projekt. Zurzeit hat er rund zwölf davon in Arbeit. Das liegt auch an seinem YouTube-Kanal «Funktionspunkt», den er während der Pandemie begonnen hat. «Da melden sich Leute und wollen mir plötzlich ihre Motorräder vermachen. Das kommt mir alles so zugeflogen.» Mit Herrn Schröder, einem 80 Jahre alten Mann aus dem Dorf, schraubt er an ihnen. Zweimal die Woche von 10 bis 16 Uhr wird zusammen gelötet, getüftelt und Probe gefahren.
Läuft man durch seine Werkstätten, fühlt man sich ein bisschen wie ein Kind im Bonbonladen. Man weiss gar nicht, wo man zuerst hinschauen soll, und kommt aus dem Staunen kaum raus. Bei allem Sammeln und Horten wird aber eins schnell klar: Alles hat seine Ordnung. Genauso wie die Gewürze in seiner Küche über dem Herd nach Sorten und Marken geordnet sind, sind es auch seine Werkzeuge. Nicht nur die Schraubenschlüssel hängen der Grösse nach sortiert an der Wand. In einem alten Apothekerschrank finden sich Zündkerzen, Muttern und anderes Zubehör.
Wovon er nicht genug bekommen kann, ist das Machen. Still sitzen ist nicht sein Ding: «Ich hab immer den Drang zu bauen», sagt er und wendet sich jetzt der BSA auf der Hebebühne zu. Da fehlt noch der Motor, einzig das Grundgerüst steht noch –oder besser: hängt. Löten und Leben gehen bei Andi eine Symbiose ein. Dass er nichts wegschmeisst, das kommt ihm jetzt zugute. Die Maschine braucht einen Benzinfilter: «Den hab ich hier», freut er sich und macht weiter das, was er am liebsten tut: tüfteln, schrauben, löten.
Text: Catharina König | Fotos: Achim Multhaupt