Das Upcycling-Restaurant
Der Traum: ein eigenes Restaurant. Hart, wenn das Geld knapp ist. Und das Restaurant in drei Wochen eröffnen soll. Die Lösung: Upcycling.
Der Wunsch: ein eigenes Restaurant. Das Problem: begrenztes Budget. Die Lösung: selber machen. Aus wiederverwerteten Materialien. Der Plan von Anna-Malin Hagen aus Schweden, 32, und Mark Hagen, 34, aus Neuseeland. Die beiden, die sich im österreichischen Bad Gastein getroffen, verliebt und geheiratet hatten, waren immerhin keine Anfänger. Sie hatten vorher schon zwei Jahre lang zusammen ein Café geführt. Sie als Restaurant-Managerin, er als Sales Manager. Jetzt wollen sie zusammen was Eigenes auf die Beine stellen. «Betty’s Bar», eine Mischung aus Tapasbar und Restaurant. Das Programm: gemütliche Atmosphäre, individueller Stil. Kann doch nicht so schwer sein. Oder?
Die passende Location ist schnell gefunden: zwei Räume, ein ehemaliges Nähstudio und ein Klamottenladen, getrennt durch eine Wand. Beiden ist klar: Sie packen selbst beim Umbau an, möglichst nachhaltig soll es auch sein.
Wir lieben es, Dinge neu zu erschaffen und Altes wiederzuverwerten.
Anna-Malin und Mark Hagen
«Erst mal klein anfangen», denken sich Anna und Mark. Für die Eröffnung reicht ihnen zunächst einer der beiden Räume, erweitern geht später auch noch. Also ran an die ersten 16 Quadratmeter, in miserablem Zustand: an den Wänden heruntergekommene Kacheln aus den 70ern, an der Decke abblätternde Tapeten. Unten: ein heruntergekommener Boden aus Kacheln. Also erst mal alles raus.
Den unebenen Boden gleicht der Fachmann aus und verlegt die neuen Fliesen. Damit nichts schiefgeht, im wahrsten Sinne des Wortes. In drei Wochen soll die Eröffnung des Restaurants sein. Schleifen, streichen, schrauben – die beiden schuften bis spät in die Nacht. Bauen aus alten Schränken Küche und Bar, aus einem alten Schreibtisch Regale. Stressig, aber es klappt. Die Eröffnung: geht glatt über die Bühne. «Betty’s Bar» zieht viele Gäste an. Im Sommer weichen sie auf die Terrasse aus. Im Winter platzt der Laden aus allen Nähten.
Aus zwei mach eins
Die Erweiterung muss her. Auch der zweite Raum soll renoviert werden. Wieder in drei Wochen. Die beiden sind ehrgeizig. Die Gäste brauchen Platz, und das möglichst schnell. Das Restaurant auf 45 Quadratmeter erweitern. Im Vergleich zum ersten Raum ein Mammutprojekt. Denn hier gibt es nichts. Nackte Wände, keine Elektrizität. Und die Wand muss durchbrochen werden. Dazu holen sie sich wieder Fachleute, danach geht’s wieder selbst weiter: die Möbel. Die Küche bleibt im ersten Raum. Spart Zeit. Die kleine Bar aus dem ersten Raum schleppen sie in den zweiten, bauen sie aus: Altes Holz aus einem Sägewerk wird zum Bartresen. Alles abmessen, zuschneiden, die Oberfläche abschleifen und mehrmals mit Epoxidharz behandeln. Die Vorderseite der Bar: aus Eichenparkett, die lag vorher in einem Hotel. Viel zu schade zum Wegwerfen. Die Mission: Upcycling. Arbeiten im Akkord. Die Zeit drängt. Auf OSB-Platten legen, abschleifen, mit Öl behandeln und an der Vorderseite der Bar anbringen. Dann die Tische. Anna und Mark kramen alte Türen hervor, die sie von der Renovierung eines anderen Hotels abgestaubt haben. Schleifen sie ab, Öl drauf. Dann noch eine Glasplatte, zugeschnitten. Montieren sie als Tischplatten auf ein Stahltischgestell, fertig. Die restlichen Türen baut das Paar zum Sofagestell um. Praktisch: Eine Polsterung ist schon drauf. Passt. Gebrauchte Stühle dazu. Die Möbel stehen.
Dadurch, dass wir vieles selbst gebaut haben, fühlt es sich an wie ein zweites Zuhause. Sehr informell und persönlich.
Anna-Malin Hagen
Dann der Feinschliff: Per Zufall finden Anna und Mark alte Fliesen aus dem frühen 20. Jahrhundert und Mosaikfliesen. Retro-Stil. Genau ihr Ding. Anleitungen im Internet recherchieren, Fliesen an den Wänden anbringen. Gar nicht so schwer, aber viel Arbeit. Zum Schluss: gebrauchte Teppiche aus einem weiteren Hotel auf den Boden legen, schicke Gemälde an die Wand – Secondhand natürlich, Jahrzehnte alt. Für das besondere Flair.
Die Wiedereröffnung. Das Wichtigste steht. Die Gäste sind glücklich. Genau wie Anna und Mark. Und schmieden schon wieder neue Pläne: eines Tages vielleicht ein eigener Garten, mit dem sie sich selbst versorgen können. Und das Restaurant gleich dazu.
Annas und Marks Restaurant in Zahlen:
- Gesamtfläche: 45 Quadratmeter plus 15 Quadratmeter Terrasse im Sommer
- Planung: knapp 100 Stunden
- Arbeitszeit insgesamt: 2 x 3 Wochen, Tag und Nacht
Text: Esther Acason | Fotos: Janis Spurdzins
Upcycling in Bad Gastein
Wer sich selber einmal «Betty’s Bar» anschauen möchte, erfährt hier mehr dazu.