Der Messer-Punk
Roland Lannier macht Tafelmesser. Das Besondere: die Griffe sind aus Vinylplatten, Beton, Schottenröcken. Die Kunden: Sternerestaurants aus aller Welt.
Rolands Klingen sind scharf wie ein Skalpell. Sie schneiden durch Fleisch wie durch ein Stück Butter. «Nur mit gutem Besteck macht Essen Spass», sagt er. «Ich mache Werkzeuge für Geniesser. Meine Messer sind fürs Kochen und Essen da – die schönen Dinge im Leben.» Jagdmesser, Ramboklingen, überhaupt der maskuline Messerkult? «Das interessiert mich null!»
Roland arbeitet wie ein Schmied vor Hunderten Jahren. Nur dass die Energie heute aus der Steckdose kommt. Nicht mehr vom Fluss Durolle. Dessen Strömung trieb früher die Schleifsteine der Schmieden an.
Sind seine Messer eher Kunstobjekte? Roland schüttelt den Kopf: «Mir geht es darum, kreative und herausragende Messer herzustellen. Aber ein Künstler bin ich nicht.» Er sieht sich als guter Handwerker, dem die Nachhaltigkeit seiner Arbeit wichtig ist. Tierische Materialien, etwa Giraffenknochen, das Horn von Rindern oder Mammutelfenbein kommen ihm nicht in die Werkstatt. Sein Stahl kommt aus Schweden, möglichst umweltschonend ist er hergestellt.
«Der Wert meiner Messer kommt nicht von teuren Materialien, sondern von der Kreativität und der Arbeitszeit, die ich investiere», sagt Roland. Mehrere Hundert Euro kostet eines seiner Messer. Es sind keine Schnäppchen, aber eben auch keine Massenware. «Meistens sind wir klassischen Handwerker technisch die Besten unseres Fachs. Das muss auch fair entlohnt werden.» Dass er vielen Gästen, die mit seinen Messern essen, eine unvergessliche Erfahrung beschert, hat er schon oft gehört.
Schmied wollte Roland werden, war als Jugendlicher fasziniert vom Mittelalter, von nordischen Göttern und Sagen, von Amboss und heissem Stahl, wurde später zum Fan von «Game of Thrones». Die Dame von der Berufsberatung fütterte mit den Informationen ihren Computer und riet ihm zu: Messerschmied. «Das fand ich cool.» Er ging bei einem lokalen Betrieb in die Lehre, heuerte dann bei der Luxus-Messerschmiede Perceval an. Vor sechs Jahren eröffnete er die eigene Manufaktur. Am Amboss steht er nicht, obwohl er gelernt hat, Stahl zu schmieden. Feinarbeit findet er interessanter.
An der Schleifstation sprühen die Funken. Guillaume poliert den Griff eines Tafelmessers. Kollektion «Unfuck the world» – nach dem Song der amerikanischen Crossover-Band Prophets of Rage. Im Griff steckt die Ledermaske eines mexikanischen Lucha-Libre-Wrestlers. Hat ein mexikanisches Restaurant bestellt. Muss heute noch verschickt werden. Dann schaltet Guillaume die Maschine aus. Roland schnappt sich sein Klappmesser. Die beiden Messer-Punks wollen zu Tisch. Sie haben Lust auf Entrecôte.
Text: Reinhard Keck Fotos: Sébastien Dubois-Didcock; PR