Die schwimmende Werkstatt
Thomas Grögler ist Bootsbauer. Seine Werkstatt: ein alter Frachtkahn auf der Donau. Das Entrümpeln: Heidenarbeit. Die Einbauten: Massarbeit.
Thomas ist schon seit Jahren auf seinem «Hausboot» daheim: der «Frøyd», einem entkernten und von ihm komplett neu eingerichteten kleinen Segler, der im stürmischen Nordmeer an der südnorwegischen Küste als Rettungsboot Dienst getan hat. Eines Tages schippert er damit die Donau stromaufwärts, auf der Suche nach einem Liegeplatz. Unterhalb der 1000 Jahre alten Burg Greifenstein, im «Donauknie» und geschützt von einer Sandbank, sieht er plötzlich den alten Frachtkahn. Nur eine Nummer, einen Namen hat er nicht. Ein schwankender Eisensteg verbindet ihn mit dem Ufer, mit seinem behäbigen Leib liegt er einfach nur da. Interessant! Wär das nicht auch was für ihn?
Thomas Grögler
Aus dem Baumarkt karren die Männer Spanplatten für den Boden der Werkstatt herbei, Thomas verbringt Stunden auf den Knien, die Handkreissäge kreischt auf, als er die Platten zuschneidet. Kleine Späne fliegen umher. Sorgfältig verzahnt er Nut und Feder, trägt noch Leim auf und bohrt mit dem Bohrer Löcher rein, um die Platten zusätzlich miteinander zu verbinden. Gelernt ist gelernt. Manchmal braucht es einen Hieb mit dem schweren Hammer, damit sie passgenau anliegen. Jetzt kommt die Kabelage für die Elektrik. Monate vergehen, bis er mit Kollegen vom Schiffsverein alle Leitungen für Steckdosen und Lampen verlegt, bis die Solarpaneele an Deck montiert sind, und Thomas seine Bohrmaschine, Schraubenzieher und Zange nicht mehr dafür braucht, alles überhaupt erst funktionstüchtig zu machen.
Dann geht’s wieder in den Baumarkt: Tischplatten kaufen für Werkbänke, auf denen er, nach all der groben Arbeit, seine wendigen Boote bauen kann. Wieder jault die Handkreissäge, das Echo hallt laut von den leeren Wänden im Schiffsbauch wider, dann bringt Thomas die Platten auf alten Tischgestellen an, die er aus Haushaltsauflösungen beschafft. «Viel von dem Material für die Werkstatt ist recycelt.» Im September 2019 ist es schliesslich so weit: Die Werkstatt kann in Betrieb gehen. Und der leere, hergerichtete Hohlraum des Frachtkahns ist nicht nur mit seinen vier Meter Höhe ideal für Thomas’ Bedürfnisse.
«Vor meinem inneren Auge hatte ich es genau so gesehen», erzählt Thomas. «Ein grosser freier Raum ohne Stützen mit viel Platz, perfekt für den Bootsbau!» Hier kann er im Trockenen arbeiten, solange es nicht zu kalt oder zu heiss ist. Sind die Luken an Deck geöffnet, die Alu-Paneele, kommen Licht und Sonne rein, aber kein Wind. «So lässt es sich gut arbeiten», schwärmt Thomas, «das kann ich nur empfehlen.» Zumal diese «Werkhöhle» viel günstiger ist als eine entsprechend grosse Halle: «Als Verein könnten wir uns keine separate Werkstatt leisten.» Und weil die Donau als Binnengewässer kaum Wellengang hat und der Kahn eher breit als hoch ist, spürt man die Bewegung des Flusses an Bord nicht wirklich. Grössere Veränderungen aber haben Thomas und seine Helfer nicht vorgenommen: Nr. 10065 steht unter Denkmalschutz. Morgen schon könnte wieder Kohle eingefüllt werden. Aber besser nicht …
Der Werkstattkahn in Zahlen:
- Alter des Kahns: 64 Jahre (1957)
- Bauzeit für die Werkstatt: 2018 bis September 2019
- Werkstattgrösse: 120 Quadratmeter
- Werkstatthöhe: 4 Meter stützenfrei
Text: Andrea Freund | Fotos: Thomas Grögler