Jetzt oder nie: Esther restauriert einen Tisch
Ein fabrikneuer Tisch? Massenware ohne Charakter, findet unsere Autorin Esther. Und restauriert lieber einen alten Tisch mit Kratzern und Macken.
Schon oft hat unsere Autorin alte Möbel aus Holz bewundert. Und Restauratoren, die das Glück haben, täglich damit zu arbeiten. Doch bewundern allein reicht nicht, findet sie. Selber machen ist angesagt.
Stufe für Stufe komme ich der Werkstatt näher. Ich bin aufgeregt. Es ist das erste mal, dass ich ein Möbelstück restaurieren werde. Nicht im Alleingang, zum Glück. Im dritten Stock eines unscheinbaren Gebäudes in Hamburg-Dulsberg wartet bereits Jana Broxtermann auf mich. Die Restauratorin umgibt in der «Frauenhandwerkstatt» ein beruhigender Geruch von Holzspänen und frischem Kaffee. Den drückt sie mir in die Hand und nimmt mir sofort alle Nervosität. Sie wird mir zeigen, wie man einen Tisch restauriert – mit der ruhigen Art, mit der sie durch ihre Handwerkskurse führt.
Ich bin mir sicher: am Ende wird da ein Tisch stehen, der wie neu aussieht. Gleich der erste Irrtum, erklärt mir Jana.
Jana Broxtermann
Sie zeigt mir den Tisch, den wir restaurieren werden: angelehnt an den englischen Stil des 17. bis 18. Jahrhundert, aber ein Nachbau aus den 50er Jahren. Aus Mahagoni-Holz. Die lackierte Oberfläche hat ordentlich Kratzer. Und er steht auf extrem wackeligen Beinen – trotz der vielen Schrauben, die in ihnen stecken.
Die beiden Seiten des Tischs sollten sich eigentlich hoch- und runterklappen lassen, aber die Ausziehtechnik klemmt. Es gibt also viel zu tun. Und Jana warnt mich vor: «Während des Restaurierungsprozesses wird uns noch viel mehr auffallen, was gemacht werden muss, aber das sehen wir dann. Und es kann sein, dass du als Anfänger einige Makel des Tisches erstmal verschlimmbesserst. Ist aber normal. Zusammen kriegen wir das dann hin.» Kann also nichts schiefgehen. Ans Werk!
Die Tischfüsse sind eine Herausforderung: Beim Abschleifen der Kanneluren – den feinen vertikal verlaufenden Rillen – ist besonderes Fingerspitzengefühl gefragt. Und Geduld. Meine Stärke, eigentlich. Dass aber das Schleifen so viel Zeit kostet, hätte ich nicht gedacht. In die Rillen kommt der Schleifklotz nicht, dort wird von Hand geschliffen. Auch die grösseren Löcher – verursacht durch die Schrauben, die der Vorbesitzer planlos in den Tischfüssen verbohrt hatte – müssen gefüllt werden. Ich begradige die Löcher, indem ich mit dem Bleistift Hilfslinien ziehe und anschliessend die Form mit dem Stecheisen aussteche.
Danach bereite ich Flickstücke aus Holz vor. Viel Kleinarbeit. Aber auch die ist irgendwann erledigt und ich kann die Stücke in die Löcher einsetzen und das Holz an den anliegenden Kanneluren nachschnitzen. Sieht ganz gut aus, finde ich. Und Jana auch. Weiter geht’s.
Ich bin zu schnell, schon wieder: Erstmal sollen wir unsere Schablonen auf die Tischbeine schieben, sie mit der Schraubzwinge an den Tischfuss spannen und prüfen, ob alles gerade und mittig sitzt. Dann Schraubzwinge ab, Schablonen ab. Jetzt aber! Wir greifen zum Weissleim, tragen ihn auf Tischfuss, Tischsäule und Dübel und in Dübellöcher auf. Schablone rauf, Schraubzwinge fest drehen. 30 Minuten trocknen. Wir nutzen die Zeit, um die Ausziehtechnik unter der Tischplatte zu bearbeiten: wir schleifen an den Reibungspunkten die störenden Flächen ab, um die verklemmten Hölzer wieder problemlos herausziehen zu können.
Text: Esther Acason / Fotos: Petra Herbert