Jetzt oder nie: Sascha baut ein Windrad
Aussteigen? Ja! Auf Elektrizität verzichten? Nein. Unser Autor bereitet sich vor und lernt, wie man ein Windrad baut.
Manchmal will ich nur noch meine Ruhe, will möglichst weit weg. Raus aus der Zivilisation, rein in Natur und Wildnis. Eine Hütte, ein Bauwagen, ein Tiny House irgendwo im Nirgendwo – das wär’s doch! Das wilde Nirgendwo hat neben vielen Vorteilen (Stille, Abenteuer, Romantik) aber auch Nachteile: weit und breit kein Supermarkt, zum Beispiel. Und auch kein Strom aus der Steckdose.
Ein Leben als Aussteiger braucht also Vorbereitung. Die Sache mit der Stromerzeugung scheint mir da zentral: Ich will ja nur meine Ruhe – und nicht noch nebenbei zum Waldschrat werden, komplett auf jeden Komfort verzichten. «Musst Du auch nicht», verspricht Jonathan Schreiber. «Du baust Dir halt ein Windrad. Und ich zeige Dir, wie’s geht.»
Jonathan Schreiber
Bestens, dann kann kaum noch was schiefgehen! Denn Jonathan ist passionierter Windkraft-Fan – und kennt sich mit Selbstbau-Windrädern bestens aus. «Mein erstes Windrad habe ich mit 13 Jahren aufgestellt», erzählt der Österreicher. «Vorher hatte ich schon ferngesteuerte Flugzeuge gebaut, irgendwann fand ich dann Windräder spannend. Und in meiner Schule wurden solche eigenen Interessen aktiv gefördert.» Mit 18 Jahren pilgerte er dann zur entlegenen schottischen Halbinsel Scoraig, um dort beim legendären Windkraft-Pionier Hugh Piggott zu lernen. Dessen Windrad-Designs sind einfach und günstig zu bauen, dabei ebenso effizient wie robust.
Vom Einsteigermodell «Piggott 2F» (Rotordurchmesser zwei Meter, Nennleistung 500 Watt – bei dauerhaft starkem Wind reicht das theoretisch, um ein Einfamilienhaus zu versorgen) hat Jonathan Schreiber in seinen Kursen schon 27 Exemplare zusammengeschraubt. Seine Mission: mehr Bewusstsein für alternative Energien schaffen, dabei überzeugende Optionen für potenzielle Strom-Selbstversorger aufzeigen. Das 28. Piggott 2F baut Jonathan jetzt gemeinsam mit mir und zehn weiteren Windrad-Begeisterten bei einem viertägigen Workshop, den er auf dem Lebensgut Cobstädt, einer Landkommune bei Erfurt, gibt.
Das Windrad bleibt in Cobstädt stehen, wird über ein im Boden verlegtes Kabel Strom für die Leute vom Lebensgut liefern. Ich verabschiede mich mit der Gewissheit, meinem Traum vom wilden Leben irgendwo im Nirgendwo ein gutes Stück näher gekommen zu sein. Wie ich meinen eigenen Strom erzeugen kann, weiss ich jetzt. Doch als ich einen letzten Blick aufs Windrad werfe, steht der Rotor schon wieder still. Kein Wunder, der Wind ist inzwischen abgeflaut. Äh, Jonathan ... Wo bekomme ich meinen Strom eigentlich bei anhaltender Flaute her? «Am besten besorgst Du Dir noch eine Fotovoltaikanlage», erklärt Jonathan. «Sonne und Wind ergänzen sich gut. Und Du brauchst natürlich einen Speicher aus mehreren Batterien. Aus diesen Komponenten baust Du Dir eine echte, vom Stromnetz unabhängige Insellösung.» Ja, klar. Klingt schlüssig. Wie genau geht denn so was? «Kann ich Dir zeigen, kein Problem», antwortet Jonathan. «Aber das ist eine andere Geschichte.»
Text: Sascha Borree I Fotos: Stefanie Loos
Strom zum Selbermachen
Ein eigenes Windrad bauen? Wie genau das geht, lernt man bei den viertägigen Workshops von Jonathan Schreiber. Dank vieler praktischer Tipps und einer umfangreichen Dokumentation, die Jonathan beim Kurs gleich mitliefert, klappt das Projekt Windrad-Bau anschliessend bestimmt auch in Eigenregie.