Jetzt oder nie: Sascha baut sich ein Kanu
Sascha sucht mal wieder nach einem Weg, um sein zu eng gewordenes Alltagskorsett abzulegen. Diesmal lernt er unter anderem, was es mit der Skin-on-frame-Technik auf sich hat und wie man richtig knotet.
Es gibt diese Tage, da wird mir alles zu eng, da will ich einfach weit blicken. Das mache ich nur noch selten, starre stattdessen auf mein Smartphone oder Listen von Dingen, die ich bis morgen dringend schaffen will. Schluss damit. Kursänderung!
Ich brauche ein Boot, kein geschlossenes, kein grosses, erst recht keins mit Motor. Damit ich zur Ruhe kommen kann, wann immer ich will. Einfach einsteigen, losfahren und die Welt an mir vorbeiziehen sehen. Mich vom Wasser tragen und treiben lassen und bei Bedarf paddeln.
Ich recherchiere und finde einen speziellen Kanu-Bau-Kurs. Mein Entschluss steht fest: Ich baue mein eigenes Kanu.
Matthias Jung
Ein Boot also wie das Umiak, ein traditionelles Inuit-Kanu. «Dort, wo die Inuit lebten, gab es zwar viel Schnee und Eis, aber kaum Holz», sagt Matthias Jung von der Kanufactory in Bad Endbach bei Marburg. Er zeigt mir in einem Workshop, wie man ein Kanu baut. «Man konnte also nicht mal eben einen Einbaum schnitzen oder ein klassisches Holzboot bauen, um damit aufs Eismeer rauszufahren. Die Inuit haben deshalb die Skin-on-frame-Technik entwickelt. Da wird erst ein Holzgestell gebaut, dann Robbenhaut drübergezogen.» Robbenhaut? Vor Schreck sträuben sich mir alle Nackenhaare. «Die benutzen wir hier natürlich nicht», ergänzt Matthias schnell, als er meine Schockstarre wahrnimmt. Ich bin erleichtert.
Ob ich mich mit meinem Kanu auch auf ein Meer wagen würde, wie die Inuit, lasse ich an dieser Stelle lieber offen. So viel aber sei gesagt: An mein Smartphone oder die To-do-Liste habe ich seit Tagen nicht mehr gedacht. Und wenn wieder einmal alles überhandnimmt, habe ich jetzt mein Kanu.
Text: Sascha Borrée | Fotos: Lucas Wahl