Jetzt oder nie: Sascha baut sich eine Hollywoodschaukel
Seit Monaten Winter und kein Ende in Sicht. Unser Autor will nicht länger auf den Frühling warten, schleppt schon mal die Werkzeugkiste auf den Hof – und baut sich das erste Gartenmöbelstück für die Freiluftsaison: eine Hollywoodschaukel.
Angeblich soll ja der April der grausamste Monat des ganzen Jahres sein. So schreibt es jedenfalls der US-amerikanische Poet T.S. Eliot in seinem weltberühmten Gedicht «Das wüste Land». Weshalb? Eliot wird wohl seine guten Gründe haben. Ich kenne sie nicht, und ich sehe die Sache mit Verlaub sehr anders: Ich kann es kaum erwarten, bis es endlich wieder April wird. Denn spätestens dann kann ich wieder raus aus der engen, stickigen Werkstatt – und wieder unter freiem Himmel bauen, schrauben, schaffen.
Doch noch ist der April weit, und wie so oft sind alle Drinnen-Projekte, die ich mir für den langen Winter vorgenommen hatten, auch dieses Jahr bereits bis Ende Januar erledigt. Für mich deshalb der grausamste Monat: der dauergraue Februar, definitiv.
Das sollte auch an einem kurzen Wintertag zu schaffen sein – so lange der Akkubohrer nicht einfriert. Oder im Dauerregen ersäuft.
Sascha Borrée
Irgendwann gibt es nur noch ein letztes Mittel gegen den grausamen Februar: einfach so tun, als sei er längst vorbei. Die Thermoskanne mit heissem Tee füllen, die Zähne zusammenbeissen, mitten im nasskältesten Monat des Jahres das erste Freiluft-Frühlingswerk angehen. Was auf der langen Liste meiner diesjährigen Schönwetter-Projekte ganz oben steht? Eine eigene Hollywoodschaukel, mit einem Gestell aus dicken Kanthölzern, einer Sitzbank aus Paletten. Das ist ja keine allzu grosse Sache, sollte deshalb auch an einem kurzen Wintertag zu schaffen sein, denke ich mir – so lange der Akkubohrer weder einfriert noch im Dauerregen ersäuft. Also: das perfekte Aufwärm-Projekt für den Frühstart in die Outdoor-Saison.
1. Sicherer Sitz
Als ich am nächsten Morgen loslegen will, trommelt ein Platzregen wütend gegen die Fenster meiner Werkstatt. Was hat der Heimwerker-Gott nur gegen mich? Ich überlege tatsächlich, mein Projekt doch noch aufzuschieben, beschliesse dann aber, das Wetter nicht persönlich zu nehmen, es eher als Test meiner Willensstärke zu betrachten. Und entscheide, dass ich für den ersten Schritt meines Vorhabens doch noch drinnen, in der warmen Werkstatt, bleiben kann: Per Stichsäge rücke ich zwei Euro-Paletten zu Leibe. Ich brauche sie in ihrer vollen Breite, als Sitzfläche und Rückenlehne, stutze sie aber beide in der Tiefe. Anschliessend verschraube ich sie fest miteinander, bei leicht stumpfem Winkel. Die Sitzbank meiner Schaukel ist damit schon mal fast fertig. Fehlen nur noch die Armlehnen – für die mir Teile einer dritten Palette als Rohstoff dienen. Also wieder: sägen, schrauben. Sitzt.
2. Gut gestellt
Als nächstes geht es ans Gestell. Und deshalb raus an die frische Luft, rein in den Regen, der immerhin nicht mehr prasselt, sondern jetzt eher sanft nieselt: Damit kann man durchaus arbeiten. Das Gestell muss nachher mächtig was (aus)halten – schliesslich hat die Sitzbank schon ein anständiges Eigengewicht, ausserdem bietet sie Platz für zwei Erwachsene. Mein Plan: Die beiden Seitenteile des Gestells will ich im Wesentlichen V-förmig aus je zwei langen Kanthölzern bauen. Aber wie? Die Hölzer einfach zu verschrauben wäre hier höchstens die halbe Miete, würde kaum die nötige Stabilität bringen. Also lege ich sie erstmal in V-Form aufeinander, lasse ihre Enden dabei leicht über die Verbindungsstelle herausragen. Die Stelle selbst markiere ich per Bleistift, klinke sie anschliessend sorgfältig aus: Mit Säge und Stechbeitel treibe ich genau abgemessene Aussparungen in die beiden Balken. Und zwar so, dass sie danach ineinandergreifen können. Wenn die Balken später aufgestellt werden, stützen sie sich dadurch gegenseitig. Zum Schluss treibe ich Schrauben in die Verbindungsstellen. Läuft doch ganz gut bisher, ich bin zufrieden – und trotz Regen voller Tatendrang. Weiter geht’s!
3. Aus V mach A
Ganz fertig ist das Seitenteil noch nicht: Aus dem V soll noch ein A werden – durch einen zusätzlich stützenden Querbalken auf halber Höhe. Mit der Kappsäge bringe ich den Balken auf die richtige Länge, verpasse ihm an den Enden die gewünschten Winkel. Dann befestigte ich ihn mit mehreren Schrauben am Seitenteil. So, das passt. Wie weiter? Wer A sagt, muss in diesem Fall ausnahmsweise nicht B sagen, sondern nochmal A: Das zweite Seitenteil entsteht natürlich auf genau die gleiche Art und Weise.
4. Endspurt: Markieren, schrauben, aufstellen
Und nun? Fehlt fast nur noch der grosse Querbalken, der aus den beiden einzelnen As erst ein Schaukelgestell macht, mit ihnen also verbunden werden muss. Das funktioniert nach dem bereits bekannten Prinzip: Verbindungsstellen markieren und ausklinken, Balken ineinandergreifen lassen und verschrauben. Das kann ich schon wie ein Profi. Anschliessend folgt der grosse Augenblick: Bisher habe ich am Boden gearbeitet, jetzt will ich das grosse, schwere Gestell endlich aufrichten. Und merke: Ich schaffe das nicht alleine. Das Gestell ist zu sperrig. Das habe ich mir etwas einfacher vorgestellt. Doch es hilft nichts, es ist ein Zwei-Mann-Job. Lucas, der Fotograf dieser Reportage, legt also die Kamera aus der Hand, packt mit an – und kann den historischen Moment deshalb leider nicht für die Ewigkeit dokumentieren. Aber dann ist es geschafft, das Gestell ragt in den grauen Februar-Himmel. Ich betrachte es prüfend, rüttele daran, lehne mich dagegen. Macht schon einen ordentlichen Eindruck, denke ich stolz. Trotzdem, sicher ist sicher: Zwischen Seitenteilen und Querbalken schraube ich noch zwei Diagonalbalken ein, gebe dem Schaukelgestell so zusätzlichen Halt.
5. Finale: Zeit zum Schaukeln
Zuletzt treibe ich zwei mächtige Ringmuttern in den Querbalken: Variante M10, Belastbarkeit 230 Dekanewton. Oder, anders ausgedrückt: Die halten ein Gewicht von je 230 Kilogramm – was für mich und meinen Kumpel locker reichen sollte. An die Ringmuttern hänge ich je einen Schäkel, also einen U-förmigen Bügel. Dessen Öffnung wird durch einen Bolzen geschlossen. Ich lasse einen Strick durch den linken Schäkel laufen, fädele ihn durch Aussparungen an der linken Seite der Paletten-Sitzbank, verknote seine beiden Enden. Und wiederhole dasselbe Spiel auf der rechten Seite. Schliesslich hängt die Bank zwei handbreit über dem Boden. Oben am Schäkel ziehe ich noch je einen Kabelbinder um die beiden Stricke. So fixiere ich ihre Position, verhindere also, dass die Stricke durchrutschen: Ich will beim Schaukeln ja nicht nach hinten wegkippen.
Dann ist es endlich soweit: Zeit zum Probeschaukeln! Zusammen mit Lucas schleppe ich die Schaukel an die Grundstücksgrenze, wo man weit in die Feldmark blicken kann – und jetzt tatsächlich die untergehende Wintersonne zwischen den Wolken hervorlugt. Dass der Nieselregen wohl schon vor einer Weile aufgehört hat, habe ich im Eifer des Gefechts gar nicht mehr gemerkt.
Ich setze mich auf die Bank, erst vorsichtig, noch mit beiden Füssen am Boden. Aufgeregt bin ich. Ob mein Winter-Blues-Bewältigungs-Möbelstück auch wirklich standhält? Ich probiere es aus, stosse mich ab und lehne mich nach hinten: Vor und zurück, vor und zurück ... Auf einmal wird mir ganz warm von innen. Ich vergesse die Kälte, die Nässe, den Februar. Ich träume vom April, vom Frühjahr, von den vielen neuen Draussen-Projekten, die ich schon bald anpacken und in die Tat umsetzen werde. Dann zieht der nächste Regenschauer auf. Und ich? Schaukele einfach weiter.
Text: Sascha Borrée | Fotos: Lucas Wahl