Liebeserklärung an das Steinmetzen
Wenn man Alexander Macher einen Stein vorsetzt, kann er nicht anders als etwas daraus zu machen. Über einen, der seine Leidenschaft gefunden hat.
Ein Freitagnachmittag in Neuhofen in Österreich. Alexander Macher wirft den Hochleistungsbrenner an und richtet die Flamme auf den nassen Schieferfindling vor sich. «Der Stein muss trocken und moosfrei sein, damit ich ihn bearbeiten kann», erklärt er.
Alexander ist Steinmetz, mit Leib und Seele. Neben seiner Arbeit bei einer Steinmetzfirma greift er auch nach Feierabend und am Wochenende immer wieder zu Hammer und Meissel, setzt seine eigenen Ideen um. Dabei kommt er zur Ruhe, das ist sein Ausgleich, sagt er.
Er tauscht den Brenner gegen die Flex. Die Maschine jault auf, Steinstaub und Splitter fliegen. Zu erkennen ist noch nichts, aber Alexander scheint einen Plan zu haben. Aus dem Schieferfindling wird eine Miniatur von Bad Ischl – für das Grab seiner Grossmutter, die im letzten Jahr verstorben ist: «Sie war eine Herzblut-Bad-Ischlerin, die Idee für die Skulptur habe ich schon länger, jetzt komme ich endlich dazu.»
Mit 15 sucht Alexander einen Ausbildungsplatz, aber kein Beruf interessiert ihn. Er beginnt eine Lehre zum KFZ-Tapezierer. Nach einem Monat ist ihm klar: Wenn er das bis zur Rente macht, wird er unglücklich. Das ist der falsche Weg.
Er macht sich wieder auf die Suche und trifft auf einer Handwerksmesse auf die Steinmetzin Melanie Seidl, beobachtet sie nur wenige Sekunden bei der Arbeit und weiss sofort: «Das ist mein Beruf. Das will ich lernen und immer besser darin werden.» Als Melanie ihm dann auch noch den Presslufthammer in die Hand gibt und er sich selbst damit probieren darf, ist es ganz um ihn geschehen. Das ist inzwischen zehn Jahre her, aber er weiss es noch wie gestern.
Es folgt eine harte Lehrzeit, aber Alexander lässt sich nicht von seinem Weg abbringen: «Mich hat einfach alles interessiert», erinnert er sich, «ich wollte alles wissen. Das haben auch irgendwann die Lehrer gemerkt.» Als Abschlussarbeit fertigt er eine Skulptur der Heiligen Barbara, die Schutzpatronin der Steinmetze und Bergleute. Bis spät in die Nacht ackert er daran. Am Ende sind von dem Ergebnis alle hin und weg. Später wird die Skulptur sogar gesegnet.
«Ich habe mit der Ausbildung das Fundament gelegt, für alles was ich jetzt mache und noch machen werde», sagt er. Inzwischen hält er den Presslufthammer in der Hand und arbeitet sich weiter durch den Stein. Tiefe Furchen durchziehen ihn mittlerweile, von einer Miniatur-Stadt noch immer nichts zu sehen. Alexander blickt kurz auf: «Es gibt so viele Steinarten, jede ist anders zu bearbeiten. Aber ich weiss, wie und wann die Kanten brechen. Es ist, als wüssten wir beide genau, was wir zu tun haben – der Stein und ich.»
Nach der Lehre arbeitet Alexander bei verschiedenen Baufirmen, mit anderen Steinmetzen und Gewerken: «Ich habe viel gesehen – aber da ist noch so viel mehr. Zum Glück, mein Wissenshunger ist nie gestillt», sagt er. Es zieht ihn zur Bildhauerei, er arbeitet viel für sich allein. Geniesst die Ruhe. Fühlt sich frei dabei: «Ich könnte nie im Grossraumbüro arbeiten. Ich brauche Raum für mich, in dem ich versinken kann.»
Alexander nimmt Hammer und Meissel, setzt an und schlägt zu. Mal zarter, mal kräftiger, und Stück für Stück wird das Salzkammergut sichtbar, dann Dächer, Hauswände, Gassen. Die Strömungen der Traun, die durch den Kurort fliesst.
«Meine Kollegen sagen immer, mir muss man nur einen Block hinstellen und ich mach was draus», sagt er und wirkt dabei etwas verlegen. «Aber es stimmt schon: Das ist genau meins, wenn ich frei und abstrakt arbeiten kann, einfach aus dem Kopf heraus,» fügt er hinzu, mit klarer, fester Stimme.
Alexander legt Hammer und Meissel beiseite, bestreicht mit schnellem Pinselstrich den Stein mit schwarzer Acrylgrundierung, tupft Goldpigmente auf die Dächer, Silberpigmente auf Berge und Traun. Dann klopft er sich den Staub von der Kleidern, atmet tief durch und lässt den Blick zu der fertigen Skulptur wandern: «Dieser Beruf ist einer der ältesten auf der Welt. Er ist so vielseitig – und was dabei herauskommt, ist auch in hunderten oder tausenden Jahren noch da», sagt er leise und spricht weiter in sich hinein: «Ein Stein, an dem man arbeitet, war schon lange vor einem da und wird es noch lange nach einem sein. Da wird man doch ehrfürchtig. Muss man doch, oder?»
Text: Barbara Pfeil I Fotos: Alexander Macher