Alexander Schlesier: Steampunk ist totale Freiheit für mich. Das absolute Kontrastprogramm zum Alltag in unserer Kultur. Wir sind doch nur noch umgeben von irgendwelchen Hightech-Fertigteilen, Plastikdingern, billig produziert, irgendwo. Es wird nichts mehr repariert, nur weggeschmissen. Bei Steampunk dagegen geht es auf der einen Seite ums Erhalten von alten Dingen. Da spielt plötzlich Geschichte eine Rolle, Vergangenheit. Traditionelles Handwerk, Materialhaftigkeit und Qualität, das gewinnt da alles wieder an Bedeutung: Was macht altes Messing aus, was die Struktur von altem Holz? Und auf der anderen Seite geht es um Zukunft. Darum, mit diesen alten Dingen etwas Neues zu erschaffen. Steampunk heisst: Zukunft durch Vergangenheit.

Ich bin schon lange in der Mittelalter- und Gothic-Szene unterwegs. Da habe ich Leute getroffen, die kleine mechanische Accessoires an ihrer Kleidung hatten. Das hat mich neugierig gemacht: Was ist das? Was kann das? Wie funktioniert das? Dann habe ich selbst losgelegt. Alles, was heute auf meiner Website zu sehen ist, steht in meiner Wohnung und in meiner Werkstatt rum. Steampunk durchzieht mein ganzes Leben. Ist ein bisschen ausgeufert.

Der Steampunker Alexander Schlesier
Immer was zu tun: Alexander Schlesier alias Steampunker

Alexander Schlesier

Prinzipiell funktionieren die schon. Nur ist manchmal die Funktion anders als die ursprüngliche: An meinem Rechner ist zum Beispiel eine alte Balgenkamera, die macht keine Fotos mehr, aber ich habe eine Webcam eingebaut. In einem etwas erweiterten, moderneren Sinn behält sie also ihre Rolle. Anders ist es bei meiner Kaffeemaschine. Da hat eine alte Nähmaschine eine völlig neue Bestimmung bekommen.

Die Steampunk Kaffeemaschine, ursprünglich eine alte Pfaff Nähmaschine
Doppelter Espresso statt Doppelnaht

Mein Akkuschrauber. Der ist für so vieles einsetzbar. Zum Bohren, Schleifen, Polieren, Entrosten. Der muss wirklich was aushalten. Und die Dremel. Die brauche ich für die Feinarbeiten. Ein Schweissgerät habe ich nicht. Ich versuche, alles reversibel miteinander zu verbinden, also wirklich zu schrauben.

Alexander Schlesier

Eigentlich bin ich ja als CAD-Konstrukteur prädestiniert dafür. Und wenn man Teile kombinieren will, die einfach nicht zusammenpassen wollen, dann wäre so ein passgenaues 3-D-Verbindungselement manchmal gar nicht so verkehrt. Aber: Wenn ich etwas neu herstelle, aus neuen Materialien, dann ist das nicht mehr das, was ich möchte. Es geht mir ja um die alten Teile, originale Materialien. Ich will alten Dingen, die ohne mich in den Müll gewandert oder in Vergessenheit geraten wären, wieder eine Funktion und damit eine Daseinsberechtigung geben.

Ein komplettes Fahrzeug würde ich gerne bauen, ein Auto oder ein Motorrad. Aber da fehlt mir einfach der Platz. Der geht mir leider gerade völlig aus. Womit wir schon beim nächsten grossen Thema wären: Ein Panoptikum, ein ganzes Gebäude, ausgestattet bis ins kleinste Detail mit meinen Objekten. Ein vollkommenes Konstrukt, in dem Vergangenheit und Zukunft in der Gegenwart erlebbar sind. Das wär’s!

Interview: Christoph Wrobel, Barbara Pfeil | Fotos: Alexander Schlesier