Michael Hecken: Seit ich denken kann, habe ich Dinge konzipiert und gebaut. Ich bin der klassische Autodidakt und bringe mir am liebsten alles selbst bei. Mich hat schon immer interessiert, wie Dinge funktionieren. In den 80er-Jahren war Hi-Fi das Thema. Ich erinnere mich noch genau daran, wie ich mir einmal in einem Elektrogeschäft einen kleinen Elektromotor gekauft habe, um damit einen CD-Player zu bauen. Ein dreibeiniges Teil, das aussah wie ein kleines Raumschiff, aus dem die CD automatisch rein- und rausfuhr. Mit 15 startete ich mein erstes Grossprojekt: Da habe ich von einer Tankstelle einen alten VW Käfer gekauft, damals ein totaler Schrotthaufen. Mit ihm begann meine Schrauberkarriere – am Ende fuhr ich dann ein ultraschickes Cabrio mit allen Schikanen, in Dunkelgrün-Metallic, mit schwarzen Ledersitzen.

Erfinder, Designer, Macher: Michael Hecken sitzt auf einer Treppe
Erfinder, Designer, Macher: Michael Hecken

Möglich. Ich wollte einfach immer das Besondere. Das ist bis heute so geblieben: Ich sehe ein Design, das mir gefällt und will es haben. Und weil das oft Dinge sind, die sich kein Mensch leisten kann, überlege ich mir, was technisch und optisch dahintersteckt, recherchiere, was ich dafür alles brauche, und probiere es aus.

Leider habe ich nach der Schule den Fehler gemacht, BWL zu studieren (lacht). Das war kein Wunschstudium, eher eine Mischung aus Vernunfts- und Zufallsentscheidung. Immerhin habe ich gelernt, unternehmerisch zu denken. Mein wirkliches Interesse ist, Produkte zu entwickeln – entweder für mich selbst oder als Geschäftsidee. So kam ich schliesslich dazu, das erste E-Bike «Grace» zu designen, gut aussehend und mit integriertem Akku. Eigentlich war es immer mein Traum, Industriedesigner zu werden. Aber damals haperte es bei mir, das dachte ich zumindest, am Zeichnen, eine der Grundvoraussetzungen. Heute gäbe es das Problem nicht mehr, geht ja alles digital, und ich bin sehr fit im Umgang mit 3-D-Programmen.

Michael Hecken

Ich war auf der Suche nach einem Ort, an dem ich neu anfangen und mich frei entfalten konnte. Das war 2003. Ich lebte damals in London, spielte aber mit dem Gedanken, nach Berlin zu ziehen. Als ich übers Wochenende dort war, wollte ich mir im Oderbruch die zugefrorene Oder angucken. Auf dem Rückweg kam ich zufällig an Biesenthal vorbei und entdeckte dort diese alte Wehrmühle. Im Grunde eine gigantische, völlig verwahrloste Ruine mitten in der Natur auf einem 10.000 Quadratmeter grossen Gelände – eine einzige Müllkippe, da lagen Kühlschränke und Asbestplatten. Die Mühle an sich war komplett durch ein Feuer zerstört, das Dach des Hauses völlig abgebrannt. Viele hätte der Anblick wohl abgeschreckt.

Das ist ein historischer Ort, der so viele Geschichten zu erzählen hat. Ich dachte sofort: «Mann, was für ein herrschaftliches, elegantes Anwesen das mal gewesen sein muss! Hier will ich wohnen.» Hier hätte ich beides, die Natur und die Nähe zu Berlin. Die Möglichkeit, mich zurückzuziehen, um meine Ideen in Ruhe zu entwickeln, und die hektische Grossstadt als Gegenstück. Ich habe mich dann gleich im Ort schlaugemacht, und ich hatte Glück: Das Grundstück stand tatsächlich zum Verkauf – und war erschwinglich. Dann ging es Schlag auf Schlag.

Das Haupthaus und die Nebengebäude mussten neu aufgebaut werden. Der vordere Teil des Gebäudes und der Keller waren intakt. Der komplette hintere Part musste abgerissen werden. Mit einer lokalen Baufirma haben wir über 1.000 Tonnen Müll entsorgt.

Wie alles am Ende aussehen sollte, hatte ich von der ersten Sekunde an vor Augen: Die historische Fassade sollte auf jeden Fall restauriert werden. Und ich wollte ihr etwas Modernes entgegensetzen. So entwarf ich den Kubus mit grosser Glasfront, dann kam die Gestaltung der Innenräume. Ich wollte die Atmosphäre eines Wintergartens, aber cooler.

Ein Zeit- und Nervenfresser war der Hickhack mit den Behörden wegen der Bauanträge. Als es dann endlich an die konkrete Umsetzung ging, holte ich mir Hilfe von einem Architektenbüro. Von der ersten Idee bis zur Fertigstellung vergingen drei Jahre. Heute traue ich mir alle Schritte selbst zu, so viel weiss ich inzwischen übers Bauen.

Michael Hecken

Ein Mammutprojekt war es auf jeden Fall, der Umbau musste ja nebenher laufen. Zu der Zeit hatte ich noch einen Job als Marketing-Manager und fing parallel an, eine neue Firma aufzubauen. Jede freie Sekunde habe ich in das Projekt Biesenthal gesteckt. Zwischendurch dachte ich auch mal: «Was hast Du Dir da angetan?» Aber ich wusste ja, worauf ich mich eingelassen hatte und was ich wollte.

Biesenthal steht für alles, was mich ausmacht: etwas Eigenes zu schaffen. Einfach ausprobieren, etwas wagen. Hier konnte ich mir meinen Traum von einem Haus verwirklichen. Hier ist die Idee für meine E-Bikes entstanden, mit denen ich heute sehr erfolgreich bin.

Mir gefällt auch der Gedanke, diesen zentralen, historischen Ort für die Menschen in Biesenthal wieder zum Leben zu erwecken und auf meine Art würdig weiterzuführen. Es ging immer auch darum, hier etwas Gemeinschaftliches zu erschaffen. Ich wollte auch anderen die Möglichkeit geben, hier kreativ zu werden, fernab von der Hektik der Stadt. Der Entschluss, Biesenthal auch für andere zu öffnen, fiel dann rund zwei Jahre später.

Bis 2010 fand hier die von mir gegründete Kunstausstellung «ART Biesenthal» statt. Inzwischen veranstalten wir regelmässig Events, Kunstausstellungen, Seminare und Kongresse. Man kann die gesamte Location mieten, die Wehrmühle wird häufig als Filmkulisse genutzt. Ausserdem lade ich immer wieder junge Start-ups ein, hier an ihren Konzepten zu arbeiten. Künftig möchten wir Übernachtungsmöglichkeiten für Gäste anbieten – was bisher in Biesenthal völlig fehlt. Die Wehrmühle soll in erster Linie ein Ort der Kunst, Kultur und besonderen Events sein – ein kultureller Hotspot, inspirierend und kraftvoll.

Zurzeit arbeite ich am Entwurf für ein kompaktes, transportables Motorboot. Ich kann jetzt schon verraten, dass es kein langweiliges weisses Boot wird. Sondern etwas Gemütliches, aber modern. Im Moment bin noch in der Entwurfsphase und arbeite am Design, noch ganz am Anfang des Prozesses. Wenn ich genügend gespart habe (lacht), dann werde ich damit hoffentlich zu Wasser gehen.

Mit Rückschlägen kenne ich mich aus, viele meiner Ideen überstehen die Konzeptphase nicht. Ich überlege mir immer gut, was ich anfange, aber nicht in der Erwartung, dass es ein Riesenerfolg wird. Da bin ich eher unromantisch: Scheitern gehört dazu, zum Leben, zur Natur. Ich denke wie ein Segler: Ich fahre los und gucke, an welches Ufer mich der Wind treibt. Ich versuche natürlich, ans Ziel zu kommen, aber nicht unbedingt geradlinig. Und manchmal herrscht eben Flaute, und es geht nicht so voran, wie man es sich erhofft hat.

Michael Henke (li.) hat mit Unterstützung von Kalle Nicolai (Mitte) und Benjamin Börries (re.) das E Bike «Grace» designt
Ein eigenes E-Bike designen? Kein Problem für Michael (li.)

Zuerst: Man muss richtig scharf auf die Umsetzung sein. Denn einfach wird es fast nie, und da braucht man Durchhaltevermögen. Und das kommt und bleibt mit dem richtige Mass an Leidenschaft. Jungen Kreativen, die sofort eine Geschäftsidee für ein Start-up im Hinterkopf haben, sage ich: «Baut das supercoole Produkt doch erst mal für euch, macht das richtig gut, bis es perfekt ist.» Hierzulande mit etwas an den Markt zu gehen ist unheimlich schwierig, das würde ich so lange hintanstellen, bis ich als Erfinder voll und ganz überzeugt bin und das Produkt selbst auf Herz und Nieren geprüft habe.

Dass sie Spass an der Sache haben! Und dass sie die Nachhaltigkeit im Blick haben. Das wünsche ich mir gerade von grossen Entscheidern in Deutschland, die unser Leben gestalten. Ob das für Häuser, Möbel, Autos oder andere Alltagsgegenstände gilt. Selbst gebaute Dinge sind ja von Natur aus meistens nachhaltig, langlebig und gut zu reparieren. Das ist mir auch bei meinen Produkten und Projekten wichtig: dass sie kein Verfallsdatum haben. Da stecken Liebe und Mühe drin. Ich mag keine Plastik-, keine Wegwerfware. Ich wünsche mir mehr Schönheit, das ist es auch, was ich unter Design verstehe: gute Formen, schlicht, nachhaltig, für die Ewigkeit gedacht und gebaut.

Text: Friederike Schön | Fotos: Michael Hecken, Nikolaus Karlinský