Urban Gardening? Nutzgarten!
Urban Gardening ist in aller Munde. Und das, obwohl kaum jemand genau weiss, was sich hinter dem Begriff verbirgt. Denn im Grunde ist es nichts anderes, als die Umwandlung jedweder städtischen Fläche in einen kleinen Garten. Meist sogar in einen Nutzgarten. Denn wenn man schon Grün anbaut, warum dann nicht auch solches, das sich verzehren lässt? In den ländlichen Regionen Europas war der Trend zum eigenen Anbau von Obst und Gemüse wohl nie so ganz verschwunden. Auch, wenn eine flächendeckende Versorgung mit frischen Lebensmitteln schon lange kein Problem mehr ist.
Barbara Derkits-Kremser, Gärtnerin Sonnwendgarten Wien
Neues Bewusstsein
Zur Lust am Gärtnern kommt ein spezielles, vielleicht neu gewonnenes Gesundheits- und Umweltbewusstsein innerhalb der Bevölkerung hinzu. Wo kommen meine Lebensmittel her? Wie wurden sie erzeugt? Diese und weitere Fragen stellen sich viele Menschen. Lange nicht mehr nur vermeintliche Ökos in Batik-T-Shirts. Übermässiges Düngen und die Verwendung insektenschädlicher Spritzmittel sind immer wieder Themen, die die Öffentlichkeit beschäftigen.
Johanna Flock, Vorstand Sonnwendgarten Wien
Verantwortungsbewusster Umgang mit den Ressourcen steht dabei ebenso im Vordergrund wie auch Biodiversität. Schliesslich nützt alle Lust am Gärtnern nichts, wenn keine nützlichen Insekten da sind, die die blühenden Pflanzen bestäuben.
Grün-Oase und Ort der Gemeinschaft – Sonnwendgarten Wien / Harald Kicker
Gegründet 2016 als temporäres «Gartenlabor», entwickelte sich ein Verein, der diesen Gemeinschaftsgarten trägt. Kaum ein Jahr später wurde der heutige Standort im Helmut-Hilk-Park bezogen. Dann ging es Schlag auf Schlag: Emsig errichteten die Vereinsmitglieder Gartenhütten und Hochbeete für heute 56 Haushalte. Das Besondere daran: Es wurde viel übrig gebliebenes Baumaterial von den umliegenden Baustellen verwendet. Bretter, Pfosten und Konstruktionsholz für die Hochbeete und Gartenhütten, Baustahl als Rankgerüst für die Bohnen – Upcycling lässt grüssen.
Der Andrang ist riesig. Darum werden die jährlich zehn neu hinzukommenden Haushalte per Los gezogen. Die Hobby-Gärtner dürfen sich dabei in ihren Beeten frei entfalten. So entsteht einerseits eine aussergewöhnliche Pflanzenvielfalt – aber auch eine grosse Menschenvielfalt. Denn gemeinsam macht das Gärtnern einfach mehr Spass, und die Mitglieder können voneinander lernen.
Auch der Erhalt der Artenvielfalt sowie die Kultivierung alter Pflanzensorten ist ein Ziel des Sonnwendgartens. Deshalb verfügt er beispielsweise auch über fünf Bio-Bienenstöcke mit insgesamt rund 350.000 Bienen, eine Pilzzucht sowie einen nachhaltigen Kompostkreislauf. Für 2019 ist das Ziel, ein Photovoltaik-Kleinkraftwerk zu bauen, um Energie von der Sonne zu ernten. Damit sollen die Gartenküche, die Honigschleuder und die Heizung in den Experimentier-Beeten betrieben werden. Was nicht selbst genutzt wird, soll der Gesellschaft bereitgestellt werden.